Überblick.
Die Ausstellung entstand als Folgeprojekt unserer Konzeption der Juniormuseumsflächen für das Ethnologische Museum im Humboldt-Forum. Es ist die letzte Reihe von Sonderausstellungen, mit der das Ethnologische Museum in den vergangenen vier Jahren kuratorische, anthropologische oder historische Fragestellungen in unterschiedlichen Vermittlungs- und Ausstellungskonzepten präsentierte. Das Studio IT’S ABOUT hat die Ausstellung mit initiiert, kuratiert und gestaltet. Finanziert wurde die Ausstellung von der Bundeskulturstiftung.
Was bedeutet der deutsche Kolonialismus für Jugendliche von heute? Wo berührt dieses historische und belastete Thema ihre Lebenswelt? Und lässt es sich im Museumsraum überhaupt »erzählen« oder »darstellen«?
Leistungen.
Grundkonzeption, Raumkonzept, Grafik, Medien
Partner*innen.
Ute Marxreiter, Paul Beaury, Indra Lopez-Velasco und Cassandra Ellerbe-Dück
Die Sonderausstellung ist ein Raum, der vor allem eines sein will: Anlass zu eigenen Fragen und Weiterforschen, Diskussionsangebot und Sensibilisierung. Weitere Workshops mit Jugendlichen folgten innerhalb der LAB-Ausstellung mit dem Ziel, Formate durch die gewonnenen Positionen zu variiert und zu ergänzen.
Auf diesen Umstand reagiert die Ausstellungsgestaltung mit einer mobilen, einfach veränderbaren Szenografie: schlichte Böcke und rohe Holzplatten sind je nach Betrachtungs- und Arbeitssituation in thematischen Gruppen im Raum angeordnet. Die Ausstellungsgrafik ist mit Laser-Ausdrucken direkt auf die Platten tapeziert und greift damit bekannte Motive aus dem öffentlichen Raum und den Charakter des Unfertigen wieder auf: die Aufarbeitung ist noch nicht abgeschlossen, hier kann weiterhin überklebt und ergänzt werden!
Explorative und dialogische Wissensaneignung
Speziell für die Zielgruppe der Jugendlichen wurden Vermittlungsformate entwickelt, die auf Exploration und Dialog setzen.Tiefer gehende Informationen erschliessen sich auf den zweiten Blick und die Raumsituation ermöglicht dialogische Situationen durch Sitzgelegenheiten und große Formate, die auch in Gruppen eingesehen werden können. Viele Formate zielen ab auf den Austausch über das Präsentierte und die Diskussion darüber.
Die Geschichte des deutsches Kolonialismus in Afrika wird aus zwei Perspektiven erzählt: die der Besatzer und die der Besetzten. Eine dritte Strecke bildet die Geschichte des Anwachsens der Sammlung des Ethnologischen Museums, da viele Objekte eine zweifelhafte Erwerbsgeschichte bzw. ungeklärte Provenienz aufweisen.
Spielerische Handlungsaufforderung: Stadtraum und Denkmuster de-kolonisieren
Die Konnotation und Verwendung der Begriffe »schwarz« und »weiß« können die Jugendlichen durch ein Puzzle mit Kühlschrankmagneten hinterfragen. Sie sind eingeladen, neue Wortkombinationen zu bilden. Dass Schwarze gar nicht schwarz sind und was Hautfarbe bedeutet, können Besucherinnen und Besucher an der eigenen Haut erleben: Hier kann abgeglichen werden, welche Farbe in ihrem Fall »Hautfarbe« ist.
Über das Kolonialerbe der Berliner Straßen informiert ein Stadtplan. Hier wird sichtbar, dass es noch viel zu tun gibt in Berlin: erst eine Straße von etlichen mit kolonialem Erbe wurde auf öffentlichen Druck umbenannt.
Rollenspiel »Handlungsspielraum?«
In Interviews mit weißen, gut-situierten Vertreter*innen der Zielgruppe wurde festgestellt, dass die Wahrnehmung des deutschen Kolonialismus in Kamerun oder Namibia überraschend positiv gesehen wird. Vorstellungen waren »Da war vorher gar nix, die haben da in ihren Lehmhütten gelebt und dann kamen die Europäer und haben da mal ein bisschen Leben reingebracht und auch Fortschritt, Infrastruktur«. Desweiteren gab es Unverständnis darüber, »warum sich die Besetzten nicht gewehrt« hätten.
Um Einblicke in die hochentwickelte Kameruner Kultur zur Besetzungszeit und die Widerstandsoptionen zu diskutieren wurde ein Rollenspiel entwickelt, in dem sich die Jugendlichen in den König eines fiktiven Königreich des Kameruner Graslands versetzen können.
Interdisziplinärer Workshopprozess
In verschiedenen Workshops hat das interdisziplinäre Team aus Vermittler*innen, Szenograf*innen und Wissenschaftler*innen sowohl die historischen Bezüge und alltagsrelevante Themenfelder zusammengestellt als auch verschiedene Vermittlungsformate für und mit der jugendlichen Zielgruppe und externen Beraterinnen diskutiert und konkretisiert.
Die Generierung der Hauptaussagen und Entwicklung erster Vermittlungsideen wurde unter unserer Leitung ein Tagesworkshop von Vermittlungsexpertinnen, Ethnologinnen und Gestalterinnen durchgeführt. Dabei wurde das von uns entwickelte Kreativ-Tool »Mix-It« eingesetzt.
Evaluation und Weiterentwicklung
Die Ausstellung wurde während der Laufzeit evaluiert. Die Erfahrungen mit den unterschiedlichen Vermittlungsformaten und Workshop-Ergebnisse werden in der Konzipierung des Junior-Museums im Humboldtforum einfliessen. Es gibt bereits mehrere bundesweite Leih-Anfragen aus anderen Ethnologischen Häusern. Aber zunächst wird eine bereits überarbeitete Fassung der Ausstellung in der Humboldtbox an der Baustelle des neuen Stadtschloßes zu sehen sein– als Vorschau der Juniorflächen im Humboldt-Forum.